Von der Kränkung zur Krankheit
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Von der Kränkung zur Krankheit

#1 von andreas.eick , 20.02.2015 20:31

Wer gedemütigt wird, erleidet eine Verletzung der Seele. Dabei können auch stressbedingte Erkrankungen ausgelöst werden. Experten fordern eine neue Kultur der Wertschätzung.

"Jeder Einzelne hat nur ein einziges emotionales Portemonnaie, um alle Belastungen seines Lebens zu bezahlen", gibt der Psychologe Bernhard Sieland zu bedenken. Der Forscher an der Universität Lüneburg beschäftigt sich seit langem mit chronischem Stress und seinen seelischen Ursachen. Die Zielfrage seiner Arbeit: Wie bringt man Lehrer, die sich als ausgebrannt empfinden, termingehetzte Büroangestellte oder alleinerziehende Mütter mit Fulltime-Job dazu, Stress auszuhalten, ohne unter ihm zu leiden und an ihm zu erkranken?

"Wir haben an Schulen anonyme Foren eingerichtet, um herauszufinden, welche Faktoren Lehrer am meisten belasten," berichtete Sieland bei einem Experten-Kolloquium "Umgang mit dem Stress", veranstaltet von der "Welt" gemeinsam mit der Barmer GEK. "Bei der Befragung rangierte der Faktor 'Kränkung' an erster Stelle." Mit anderen Worten: Seelische Kränkung ist ein Tabu, und nur anonym gestehen Gekränkte ein, sich emotional verletzt zu fühlen. Gleichzeitig bereitet nichts so großen Stress wie Beleidigung, Kränkung, Missachtung, Ehrverletzung und ähnliches.

Wertschätzung und positives Feedback hingegen standen in Sielands Untersuchung ganz oben auf der Wunschliste der Befragten. Eine Erkenntnis, die einerseits quasi jedermann an sich selbst nachvollziehen kann. Anderseits wirft sie ein neues Licht auf den Zusammenhang zwischen stressbedingten Erkrankungen und ihren viel diskutierten individuellen, gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Folgen – von schwindender Lebensqualität über steigende Krankheitskosten bis hin zu hohen Produktivitätsausfällen.

Selbstachtung ist essentiell

Eine Verletzung der Seele kann also sowohl Auslöser eines psychischen Leidens als auch die scheinbar versteckte Ursache weitverbreiteter körperlicher Erkrankungen etwa der Wirbelsäule, des Kreislaufs oder der Verdauungsorgane sein. Auf den zweiten Blick ist das alles andere als verwunderlich. Schließlich sind dem Menschen Selbstachtung und Selbstwert so wichtig wie kaum etwas anderes. Sie zu erhalten oder sogar zu steigern, ist ihm aus sich selbst heraus nur schwer möglich. In aller Regel braucht er dazu den positiven Kontakt zu anderen. Und gleichzeitig reagiert der Mensch höchst empfindlich, wenn seine Ehre, seine Selbstachtung und sein Wert bei diesem Kontakt in Frage gestellt oder gar negiert werden.

In ihrer Ehre gekränkte Menschen entwickeln häufig das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden. Ihr Selbstbild stimmt mit dem Erlebtem nicht überein. Ein Dilemma, das häufig in Selbstzweifel und schwindendes Selbstwertgefühl mündet. Dabei spielt die persönliche, aber auch die gesellschaftliche Wertschätzung, eine entscheidende Rolle. Sowohl im Arbeits- wie auch im Privatleben.

"Wenn eine gestandene Krankenschwester, der immer wieder beteuert wird, wie wichtig ihre Arbeit sei, nicht mehr verdient als ein Azubi bei Audi im ersten Lehrjahr, haben wir eine Gratifikationskrise," sagte Gerhard Huber vom sportwissenschaftlichen Institut der Uni Heidelberg auf dem Experten-Kolloquium.

Gratifikationen kein Ersatz für persönliche Wertschätzung

"Wir brauchen eine neue Feedback-Kultur", konstatierte hingegen Friederike Maria Engst vom Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung und dort zuständig für die Koordination des Betrieblichen Gesundheitsmanagements. "Zielvereinbarungen und Gratifikationen ersetzen nicht, sich beachtet und geachtet zu fühlen."

Wie groß der menschliche Drang ist, sich positiv gespiegelt zu sehen und in der eigenen Haut wohlzufühlen, beschrieb Dirk Lehr, Diplom-Psychologe der Uni Lüneburg, auf dem Experten-Kolloquium von "Welt" und Barmer GEK anhand eines Beispiels aus der Erforschung von Lebenspartnerschaften. Demnach ergab eine Befragung, dass bei glücklichen Paaren das Verhältnis zwischen positiver und negativer Rückkopplung etwa fünf zu eins beträgt. Eine Kränkung wiegt in unserem Seelenhaushalt also fünfmal schwerer als eine Wertschätzung. Und es gibt gute Gründe anzunehmen, dass dieses Verhältnis nicht nur in Liebesbeziehungen gilt.

Mangel an individueller Wertschätzung als einer der Hauptgründe für Stress und seine negativen Folgen hat jedoch noch andere Facetten. Schließlich ist jeder Mensch anders, reagiert auf Herausforderungen und Reize unterschiedlich. Auch persönliche Leitbilder divergieren erheblich. Wenn die Wirklichkeit damit nicht übereinstimmt, entsteht eine neue Stressquelle.

Fatale "Erschöpfungssehnsucht"

Soziale Vergleiche etwa, bei denen man schlecht wegkommt, schaffen die Grundlage für quälende Selbstbezichtigungen. Selbstgesteckte Ziele, z. B. in jeder Lebenslage perfekt wie eine Maschine funktionieren zu können, machen Stress. Von einer "Erschöpfungssehnsucht" spricht in diesem Zusammenhang der Naturheilkundler Hans-Joachim Petersohn, Präsident der Gesundheitskommission im Bundesverband Mittelständische Wirtschaft. "Früher war eine psychische Krankheit peinlich. Heute aber ist es schick, ausgepowert zu sein. Burn-out ist gesellschaftsfähig geworden".

Viel wäre geholfen, würde man im Kampf gegen chronischen Stress die Betroffenen ganzheitlich betrachten und ihnen individuelle Angebote machen, um das Bewusstsein für Entspannung, eigene Widerstandsfähigkeit und Gelassenheit zu üben. Wer trainiert, die eigenen und die Grenzen anderer zu erkennen und zu respektieren, wer das Nein-Sagen lernt, macht wichtige Schritte zur Stress-Prävention.


The Master of Desaster

 
andreas.eick
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